Hattet Ihr schon einmal den Gedanken, wie es wäre nach einer Tageswanderung nicht zurückzufahren, sondern am nächsten Tag einfach weiterzugehen? 

Dann geht es Euch wie mir. Diese Idee hatte sich so in meinem Hirn verankert und unterbewusst verselbstständigt, so dass unweigerlich irgendwann der Punkt kommen musste, an dem darüber nachdenken nicht mehr ausreichte. Bei mir war das im Sommer 2020 der Fall. Der erste Lockdown wurde wieder gelockert, aber dennoch wollte sich nicht so wirklich Lust auf einen Urlaub in der Ferne einstellen. Während des Lockdowns hatte ich viele kleine Alltagsfluchten mit kurzen Wanderausflügen als inneren Tapetenwechsel unternommen und dann kam der Gedanke hoch: Wieso immer nur für einen/zwei Tag(e) zu Fuß unterwegs sein, wenn man einfach auch weiter laufen könnte?

Als sich dann auch noch ein Umzug von Berlin nach München ankündigte, war der Gedanke, diese Strecke zu laufen, nicht wieder einzufangen. Wie Hape Kerkeling „einfach mal weg“ zu sein und dabei auch noch ein paar neue Ecken Deutschlands kennenzulernen, fühlte sich tausendmal besser an, als in einem Metallgefährt 4-5 Stunden eingepfercht durchs Land zu brausen und am Zielort ausgespuckt zu werden. 

Inhaltsverzeichnis

Vorbereitung & Planung

Ich fand keine durchgehend beschriebene Route (so wie die Jakobs- oder Europawege) und erstellte mir daher kurzerhand meine Eigene. Orientiert an der alten Reichsstraße (Via Imperii), dem Main-Donau-Weg, östlichen Albsteig, Jurasteig und dem bayerischen Jakobsweg sollte meine Grobroute verlaufen. Wo mir zu viele Weganteil auf Straßen verlief und wo ich keine Unterkunftsmöglichkeit finden konnte, ging ich dann eben anders auf irgendwelchen unmarkierten Wegen.

Am Ende ergab sich eine Strecke von 670 km, die ich auf 26 Tagesetappen verteilte. Zusätzlich plante ich noch 2 Ruhetage ein und war dann fast einen Monat zwischen den beiden Großstädten unterwegs. 

Übernachtet habe ich großteils in Pensionen. Auf einem Abschnitt in der Oberpfalz, auf dem mich ein Freund für 4 Tage begleitete, hatten wir das Zelt dabei. Ich empfand es aber in Deutschland im Gegensatz zu Skandinavien (Jedermannsrecht) nicht so entspannt mit dem Zelt zu reisen. Zudem spart man sich so einiges an Gewicht, wenn man auf das Zelt verzichtet. Wegen Corona und den Beherbergungsauflagen mussten die Unterkünfte zwar vorab organisiert werden. Das hatte aber den Vorteil, dass man abends entspannt ankommen konnte und nicht tagsüber damit beschäftigt ist, die Übernachtungsmöglichkeit zu organisieren.

Start in Brandenburg

Nach all der Planung war es dann irgendwann soweit. Mit dem Bummelzug über Berlin-Wannsee bin ich in Beelitz gestartet (das Stück dorthin bin ich schon einmal früher gelaufen). Wenige Menschen unterwegs, flirrende Hitze (über 30 Grad), viele trockene Äcker und nach Wasser dürstende Wälder. Der Sandboden in Brandenburg erschwert das Laufen ein wenig, aber insgesamt kommt man gut rein.

Fläming in Brandenburg - Berlin München Fernwanderung

Die ersten Tage hatte ich zum Glück noch vergleichsweise wenige Kilometer (~20 km) geplant. Das macht es aber nicht weniger anstrengend. Wenn Ihr, wie ich, wenig erfahren in Sachen Fernwandern seid, kann es schon sein, dass man am Anfang abends komplett platt ist. Aber das ändert sich zum Glück mit der Zeit. 

Man kommt langsam rein und fängt auch an, einen Art Alltagsrhythmus zu entwickeln: Aufstehen, Essen, Rucksack und Proviant packen, Laufen, Pausen, Laufen, Ankommen, Essen, Schlafen. Und das Ganze draußen in der Natur, wo man unbeschwert seinen Gedanken nachhängen kann und sich frei fühlt. Also ein perfekter Tag sozusagen.

Nachdem anfangs noch riesige Acker- und Waldflächen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt dominierten, führt einen der Weg durch die Dübener Heide vorbei an teilweise komplett verfallenen Dörfern in Richtung Leipzig. Dort ist dafür das krasse Gegenprogramm geboten; viele junge Menschen, eine schöne und pulsierende Innenstadt und ein großes Kulturprogramm. Das war ideal für meinen ersten Ruhetag und ich kann einen Stopp in Leipzig jedem nur ans Herz legen!

In Richtung Mittelgebirge

Südlich von Leipzig führt die frühere Kaiserstraße dann durch die ehemalige Mondlandschaft der Braunkohletagebaue; jetzt ein glitzerndes Seeparadies. Das alleine wäre schon einen Ausflug wert. Zwischen Seen, Feldern und kleinen Waldabschnitten geht es vorbei an der „Ziegenhochburg“ Altenburg in Richtung Zwickau und in die Mittelgebirge. War vorher alles noch flach, gibt es jetzt die ersten An- und Abstiege und eine abwechslungsreichere Landschaft. 

Hier in diesem hügeligen Abschnitt vorbei an den ehemaligen Textilhochburgen Reichenbach und Plauen erwarten den Wanderer eine in Teilen noch intakte Naturlandschaft. Aber auch imposante Bauwerke, von den beiden größten Ziegelbrücken der Welt bis zu Talsperren und in die Hänge gebaute Städte, die von einer prosperierenden Vergangenheit erzählen. Die Wege werden kleiner und zum Teil auch Trampelpfade und ehe man sich versieht, überschreitet man die damalige deutsch-deutsche Grenze und landet in ehemaligen Zonenrandgebiet in Bayern. Die Landschaft ist dieselbe, doch die Leute sprechen hier ganz anders und scheinen auch andere kulinarische Vorlieben zu haben; 40 Jahre Trennung hinterlassen unweigerlich Spuren.

Im Fichtelgebirge und der Oberpfalz

Für alle Bergfreunde wird es südlich von Hof interessanter. Hier gilt es, das Fichtelgebirge (höchste Erhebung 1050 m ü. NN) zu queren und ich fand es sehr schön. Viel grün, überall plätschern kleine Bäche und vor allem: So gut wie keiner unterwegs. Im Gegensatz zu anderen Bergregionen ist das Fichtelgebirge nicht so wirklich gut an Autobahn / Bahn angeschlossen und das merkt man! Hier kann es zwar auch mal sehr nass werden, das trübt den Spaß aber überhaupt nicht. Für mich ist dieser Abschnitt auf jeden Fall einer meiner Touren-Highlights.

Fichtelgebirge - Berlin München Fernwanderung

Über verträumte Ortschaften, unzählige Waldgebiete und kleine Bäche erreicht man die Oberpfälzer Zentren Weiden und Amberg, die auf jeden Fall auch einen Abstecher wert sind. In dieser sehr wasserreichen Region haben die Flüsse regelrecht Schneisen in die Landschaft gefräst. Fast ein Canyon. 

Hier orientiert sich meine Route an dem Jurasteig und es geht immer wieder 100 Meter hoch und im nächsten Tal wieder runter. Fans des Mosel- oder Rheinsteigs kommen hier auf jeden Fall auf ihre Kosten. Mich hat es nach mehr als 2 Wochen durchgehenden Laufens am Ende dann aber doch sehr geschlaucht. So kam mein zweiter Ruhetag in Regensburg genau richtig. Und auch diese Stadt kann ich wärmstens für einen Besuch empfehlen. Die historische Altstadt, die noch sehr gut erhalten ist, lädt mit ihren kleinen Gässchen zum Erkunden ein.

Endspurt durch die Hopfenregion

Die letzten 150 Kilometer verlaufen in großen Teilen entlang des bayerischen Jakobswegs. Zunächst entlang der Donau am berühmten Donaudurchbruch und dem Kloster Weltenburg vorbei, das dort in einer Hufeisen-Flussschleife thront, führt der Weg bald in die stark wirtschaftlich geprägte Region um Ingolstadt. Bierfreunde können aber auch hier Schönes entdecken: Eine der größten Hopfenanbauregionen der Welt und alles was zu dieser besonderen Rankpflanze dazu gehört.

An zahllosen Hopfen-Feldern inklusive ihrer Überbauten, Getreidefeldern und leider sehr vielen Straßen entlang, bringt mich der Jakobsweg bis nach Dachau. Die Alpen sind hier schon am Horizont erkennbar und München in einem letzten Tagesmarsch entlang eines kleinen Flusses (Würm) nach einem Monat Wanderung erreicht.

Für mich eine Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte, auch wenn mein Körper froh über das Ende bzw. eine weitere Pause war. Eine solch lange Zeit in der Natur unterwegs zu sein, prägt unweigerlich und man empfindet das Drinnensein und vor allem Sitzen als vollkommen unnatürlich. Den inneren Drang, wieder länger unterwegs zu sein, wird man nach so einer Tour dann auch nicht mehr los: Die nächste Wanderung ist schon im Kopf!

Infos zum Buch

Weil mich diese Wanderung so gepackt hat und ich auch keine Beschreibung für diese Strecke gefunden habe, habe ich das Buch mit dem Titel „Ick loof, weil’s mi gfreit!“ geschrieben. Basierend auf meiner Erfahrung sind in dem Buch auch ein paar Tipps zur Ausrüstung vorangestellt. Der Rest des Buches ist entsprechend der gewanderten Tagesetappen aufgebaut, wobei es zu jedem der 26 Wandertage nicht nur ein Bericht bzw. eine Wegbeschreibung gibt, sondern auch eine farbige Karte sowie Infos zur An- und Abreise und Übernachtung.

Digital versierte Leser können die Routen auch zur Einbindung in die eigene Offline-Kartenapp von meinem Blog herunterladen. So sind alle Wander-Begeisterten und solche, die es noch werden wollen, bestens gewappnet, um selbst den Rucksack aufzusatteln, die Stiefel zu schnüren und sich auf den Weg zu machen. Wer weniger Zeit hat, kann die Teilabschnitte beliebig stückeln und so etappenweise die vielfältige Landschaft der Route kennenlernen. Infos zum Buch und eine kleine Leseprobe gibt es hier auf meinem Blog.

Nachdem Ihr die Tour oder Teile davon gemacht habt, bin ich überzeugt, dass auch Ihr sagt: „Ick loof, weil’s mi gfreit!“

Ich freue mich, wenn Ihr mir Eure Eindrücke der Wanderung über meinen Blog oder einen anderen Kanal mitteilt.

Grünes Band - Berlin München Fernwanderung
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